Die Koalition der Ignoranz

In selten trauter Einigkeit ignorieren sämtliche Fraktionen und Fraktiönchen des Geraer Stadtrates die Initiative unseres Fördervereins Gymnasium Rutheneum e.V. für ein neues Internat im Hofgut in Untermhaus. Daran änderte auch die letzte Publikation zu diesem Thema in der OTZ am 10.2.24 nichts. Offenbar wird das Problem im hohen Hause nicht für würdig befunden, überhaupt auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden. Schließlich geht es ja nur darum, junge Leute nach Gera zu locken und gleichzeitig ein kulturelles Juwel, den Konzertchor des Rutheneums, in Gera zu erhalten. Aber die Verantwortlichen denken scheinbar immer noch, dass es genügt, einfach auf die Ortseingangsschilder den anmaßenden Begriff „Hochschulstadt“ zu malen, um Jugendverbundenheit zu demonstrieren. Im Gegensatz dazu unterstützen viele Geraer unsere Initiative für eine neues Internat und äußern ihr Unverständnis, dass die Stadt es nicht anpackt.

Nun wissen wir ja – mit dem Anpacken ist es in Gera so eine Sache. Setzt doch auch unser Oberbürgermeister mit dem Nichtanpacken seiner vielen Wahlversprechen von 2018 bereits seit Jahren Maßstäbe. Aber nüchtern betrachtet stehen ihm die anderen Verantwortungsträger keinen Deut nach. Getreu dem Geraer Motto „Das geht nicht!“ haben sie die allermeisten sich eingerichtet im Sumpf der Bequemlichkeit. Selbst bei intensivstem Nachdenken fällt mir, abgesehen von einer solarbetriebenen Parkbank und einer bunten Wand am Comma, nichts Substantielles ein, was OB, Verwaltung oder gar Stadtrat in den letzten Jahren für die Entwicklung der Stadt geleistet hätten. Dafür marschieren sie, begleitet von ein paar peinlichen Scheingefechten, einträchtig weiter in Richtung Abgrund. Die Stadtratssitzungen, welche bei vielen Bürgern fast körperliche Beschwerden verursachen, widerspiegeln die Denkweise vieler unserer Volksvertreter. Diese haben vergessen oder es nie kapiert, dass Kommunalpolitik nicht aus ideologischem Schattenfechten und gegenseitigen Schuldzuweisungen besteht und dass eitle Selbstdarstellung angesichts der drängendsten Probleme in Gera keine Lösungsperspektive darstellt. Da verwundert es nicht, dass die Bürger nur noch müde abwinken, wenn wieder mal irgendwelche Hirngespinste wie Neue Mitte, Museumsneubau, KuK-Sanierung oder gar Freibad aus der Mottenkiste herausgeholt werden; Projekte, von denen jeder Vernunftbegabte weiß, dass sie wohl nie realisiert werden. Dafür zementiert die Stadt kontinuierlich ihren Spitzenplatz in der Arbeitslosenstatistik.

Doch zurück zum Internatsproblem. Das bisherige Internat in Bieblach-Ost, ausgestattet mit dem Charme der letzten DDR-Jahre, schreckt nicht nur die Eltern potenzieller Musikschüler des Rutheneums ab. Es ist in meinen Augen eine Schande für eine Stadt, die doch zwar jugendfreundlich daherkommen will und gleichzeitig zielführende Initiativen zur Verbesserung der Lebens- und Lernbedingungen für die Jugendlichen torpetiert. Auch ist es den Damen und Herren im Rathaus nicht bewusst, dass vielleicht Bedarf an einem städtischen Gästehaus bestehen könnte, dass Unterbringungsmöglichkeiten für Sportler oder auch Künstler fehlen und dass ein traditionsreiches Gebäude wieder eine Bestimmung erhalten sollte, fernab aller kommerziellen Interessen.

Es hat sage und schreibe 15 Monate gedauert bis die Stadtverwaltung mit der Aussage herausgerückt ist, dass sich das Hofgut tatsächlich in städtischem Besitz befindet. Allen konkreten Anfragen des Fördervereins wichen sowohl der OB als auch mehrere Stadtratsmitgliedern permanent aus; erst eine Nachfrage der OTZ wurde vor wenigen Tagen etwas zähneknirschend beantwortet. Da drängt sich mir ein böser Verdacht auf. Ist das Hofgut vielleicht schon jemandem versprochen? Schließlich naht die Wahl und Geschenke erhalten die Freundschaft.

Aber, liebe Geraer, freuen wir uns auf die nächste Runde von Versprechungen, wie sie uns bald von den Wahlplakaten entgegenleuchten werden. Die Parteien, Bündnisse, politischen Vereine aber auch die OB-Kandidaten brauchen bei deren Gestaltung nicht mal sonderlich kreativ zu sein. Sie nehmen einfach die Plakate der letzten Wahlen. Wie hieß es doch u.a. vor paar Jahren auf einem Plakat – „Vernunft und Veränderung“? Davon sind wir in Gera immer noch Lichtjahre entfernt.

Veröffentlicht am 21. Februar 2024 in Schuld und Schulden in Gera und mit , , , , , , , , , getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. Hinterlasse einen Kommentar.

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