Archiv für den Monat November 2023

Nah an Volksverdummung

Vor einigen Tagen hat der beste Stadtrat aller Zeiten, ganz in der Tradition der guten alten Volkskammer, einstimmig dem neuen Museumskonzept des ehemaligen Theaterdramaturgen und jetzigem Kulturamtsleiter Herrn Eckerle zugestimmt. Natürlich ist die Einstimmigkeit von rechts bis links im Hohen Haus keinesfalls als begeisterte Zustimmung zu werten, eher dürfte der Gedanke „Lass uns mit dem Mist in Ruhe!“ der wahre Grund für die seltene Einigkeit im Rathaussaal gewesen sein. Dort, wo sonst Hobbyideologen und Problemverweigerer munter um jede noch so belanglose Banalität streiten, wollten offensichtlich beim Thema Museen alle ganz schnell wieder zur Tagesordnung ( oder dem, was die Damen und Herren darunter zu verstehen glauben) übergehen.

Aber besehen wir uns dieses Museumskonzept, in meiner Erinnerung mindestens das vierte seit der Wende, mal etwas genauer. Zunächst heißt es nicht mehr „Konzept“, sondern „Masterplan“, was wahrscheinlich irgendwie energischer und cooler klingen soll. Das ändert aber nichts daran, dass dieses Konglomerat aus Unwissen und Wunschdenken mit Aussagen daherkommt, welche dem vernünftigen Bürger die Zornesröte ins Gesicht treiben. Da soll zum Beispiel die „Depotfrage“ dahingehend geklärt werden, dass sämtliche Archivgegenstände unserer Museen im nassen, brandschutztechnisch hoch bedenklichen KuK-Keller untergebracht werden, wo vor kurzer Zeit nicht mal einfache Pappmöbel gelagert werden durften. Und vielleicht ist es bis ins Kulturamt noch nicht vorgedrungen, dass am KuK massiver Sanierungsbedarf besteht, jedoch noch keiner weiß, wann saniert wird und wo dafür das Geld herkommen soll. Auch will Herr Eckerle endlich mal die Sanierung des Dix-Hauses in Angriff nehmen, wo es nur der Gnade des Wetters zu verdanken ist, dass die straßenseitigen Fenster noch nicht durch einen kräftigen Sturm aus ihren morschen Rahmen herausgerissen wurden. Es sei ein „inhaltliches Konzept“ erforderlich, welches man mit „Spezialisten“ (die sicher nicht kostenlos zu haben sind) erarbeiten wolle, lässt uns der neue Kulturamtsleiter wissen. Nun, vielleicht sollten seine zahlreichen Mitarbeiter erstmal dafür sorgen, dass nicht jedes Jahr vor der Tür das Unkraut sprießt und im Hof der Rasen die Höhe eines Kleinwagens erreicht. Der Hof steht übrigens meist Tag und Nacht offen, was offenbar nicht weiter stört. Denn seine kulturelle Nutzung (die gab es tatsächlich mal) ist im „Masterplan“ nicht vorgesehen. Würde ja auch Arbeit machen.

Natürlich kann Herr Eckerle nicht alles das verbessern, was in dreißig Jahren unter schon kriminell zu nennender Duldung seitens der Verantwortlichen versäumt und kaputt gemacht wurde. Jedoch täte ihm etwas Realitätssinn gut, sonst verstiege er sich in seinem „Masterplan“ nicht zu solchen hanebüchenen Äußerungen, in der seit vielen Jahren so heiß ersehnten „Neuen Mitte“ (für die auch kein Geld da ist) einen „Museumsneubau“ planen zu wollen. Dafür werden dann offenbar die bestehenden Museen geopfert und müssen ihr weiteres Dasein als zuwuchernde Stadtbrachen fristen, wie es jetzt schon das „Horten-Kaufhaus“, die Schule am Nikolaiberg oder die Villa Hirsch tun. Natürlich kann man dieser Tatsache auch mit einem Masterplan „Brachen in Gera – eine unendliche Geschichte“ begegnen. Lustig finde ich Eckerles Wunschdenken, welches es mit dem Satz „Berlin guckt nach Gera“ zum Ausdruck bringen will. Lieber Herr Eckerle, in Berlin ist Gera nur im Hinblick auf seine Aufnahmekapazität für „Schutzsuchende“ interessant. Museen oder gar echte Kultur kommen in den Köpfen rot-grün-gelber Politiker nicht vor.

Übrigens haben die Museen in Gera primär ein Besucherproblem, vielleicht sollte Herr Eckerle mal dort ansetzen anstatt sich in unrealistischen Zukunftsträumereien zu verlieren. Die Ursachen für ausbleibende Besucher sind rasch gefunden: Mangelnde Qualität der Ausstellungen, ein fehlendes touristisches Gesamtkonzept für Ostthüringen, unflexible Öffnungszeiten, Ideenlosigkeit und natürlich ein völliges Desinteresse der Stadtregierung und von großen Teilen der Verwaltung. Im Rathaus hat bis heute auch noch niemand kapiert, warum Gera keine Kulturhauptstadt werden konnte. Wenn Ignoranz auf Größenwahn und Unfähigkeit trifft, kann dabei nichts rauskommen außer berechtigtes Gespött der Mitbewerber.

Warum wird die „Depotfrage“ eigentlich nicht mittels bestehender städtischer Immobilien gelöst? Neben der Villa Hirsch (Gehört die noch der Stadt oder wurde die schon verscherbelt?) käme vordergründig das Comma infrage. Aber das ist ja mittlerweile faktisch in Privathand, inklusive seiner sinnbefreit bemalten Fassade. Die gastronomischen Betreiber können dort in einer städtischen Immobilie, für die die Bürger mit ihren Steuern aufkommen, nach Belieben schalten und walten (für eine schmale Pacht natürlich), eine alternative Nutzung kommt daher keinesfalls infrage. Böse Zungen munkeln zwar schon geraume Zeit in diesem Kontext von unhaltbaren Verträgen und suspekten Absprachen aber mittlerweile interessieren solche Nebensächlichkeiten nicht mehr; außerdem sind Partyschuppen wie das Comma gerade groß in Mode in dieser Stadt.

Doch zurück zum sogenannten „Masterplan“, der, wie es sich bei solchen Plänen gehört, mit jedem Satz nach Geld schreit. Geld, welches zwar da ist, aber für andere tolle Sachen ausgegeben wird. Stichwort monströse Stadtverwaltung. Dabei kann die prekäre Finanzierungsfrage in Bezug auf unsere Museen ganz einfach gelöst werden, indem der überquillende Theatertopf auf ein dem Charakter einer großteilig von Senioren besuchten Provinzbühne angemessenes Maß abgeschmolzen wird. Aber das verlangt „Eier“, wie man so schön sagt, und die haben viele Verantwortungsträger recht schnell verloren und nie wiedergefunden.

Und so ist Herrn Eckerles „Masterplan“ aufgrund seiner Naivität und vorprogrammierten Undurchführbarkeit nach meiner Ansicht zwar ganz nah an Volksverdummung, dafür aber versehen mit dem Segen unserer Volksvertreter. Seit 1990 überschwemmt die Stadt Gera ihre Bürger mit sinnlosen Konzepten und absurden Plänen, deren Realisierbarkeit jenseits aller Vorstellung liegt. Das einzige Zählbare der letzten Jahre war lediglich die Hinzufügung des Wortes „Hochschulstadt“ auf den Ortseingangsschildern. Ein Wort, dass bei den Geraern und ihren Besuchern immer wieder ein herzhaftes Lachen auslöst. Aber wollen wir nicht alles so negativ sehen, freuen wir uns auf die nächsten Master und ihre Pläne, auf lustige Stadtratssitzungen und neue Träumereien im Rathaus.

Schlussendlich sei noch bemerkt: Das Kulturamt ist direkt dem Oberbürgermeister unterstellt. Was sagt der Volksmund so treffend? „Wie der Herre…“

Im Übrigen: Angesichts der aktuellen Entwicklung, des Verhaltens der Verantwortungsträger und um weiteren Schaden von der Stadt abzuwenden, fordere ich den Rücktritt von OB und Stadtrat und sofortige Neuwahlen.